Bundesministerin Holzleitner verleiht Staatspreis zur Förderung von Ersatzmethoden zum Tierversuch
Bundesministerin Eva-Maria Holzleitner übergab den Staatspreis 2024 an Dr.in Catarina Martins-Costa, Dr.in Nina Corsini und Univ.-Prof. Dr. Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Mit dem Staatspreis zur Förderung von Ersatzmethoden zum Tierversuch zeichnet das Bundesministerium für Frauen, Wissenschaft und Forschung herausragende wissenschaftliche Arbeiten aus, die dazu beitragen, Tierversuche zu vermeiden, ihren Einsatz zu verringern oder die Haltungs- und Versuchsbedingungen für die Tiere zu verbessern.
Bundesministerin Eva-Maria Holzleitner übergab den Staatspreis 2024 heute an Dr.in Catarina Martins-Costa, Dr.in Nina Corsini und Univ.-Prof. Dr. Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für ihre 2024 im Journal Cell Stem Cell erschienene Publikation „ARID1B controls transcriptional programs of axon projection in an organoid model of the human corpus callosum“.
„Dieser Preis ist ein starkes Signal für die Bedeutung wissenschaftlicher Exzellenz und die Verantwortung der Forschung, den gesellschaftlichen Fortschritt aktiv mitzugestalten. Wissenschaft ist die treibende Kraft hinter einer besseren Zukunft: Sie gibt Antworten auf drängende Fragen, fördert Innovationen und stärkt unsere Demokratie. Indem wir diese wegweisenden wissenschaftlichen Leistungen ins Licht der Öffentlichkeit rücken, tragen wir dazu bei, Wissenschaft stärker in den gesellschaftlichen Diskurs einzubinden. Der Staatspreis soll alle Forschenden bestärken, ihr Engagement in diesem so wichtigen Bereich auch in Zukunft fortzusetzen“, so Bundesministerin Holzleitner.
Als Alternative zu Tiermodellen verwendeten die Preisträgerinnen und Preisträger in ihrer Forschungsarbeit ein Gehirnorganoid-Modell. Organoide sind Zellverbände, die sich im Labor herstellen lassen und dreidimensionale, wenige Millimeter große Strukturen ausbilden können, die einem Organ sehr ähnlich sind. Mithilfe des neuartigen Gehrinorganoidmodells konnte die Entwicklung des Corpus Callosum, einem Teil des Gehirns, der am Informationsaustausch der beiden Hirnhälften beteiligt ist, nachgebildet werden. Das erlaubte den Forscher:innen, ganz ohne Tierversuche jene zellulären und molekularen Mechanismen zu entschlüsseln, die einer gestörten Entwicklung dieser wichtigen Gehirnstruktur zugrunde liegen. Durch diese wissenschaftlichen Errungenschaften können zukünftig neue Behandlungsstrategien für Patientinnen und Patienten entwickelt werden, die Entwicklung von Gehirnorganoiden schuf zudem eine Methode, mit der Versuche an Tieren in der Hirnforschung allgemein reduziert werden können.
Studien an Tieren sind im Bereich der Life-Sciences sowie in der medizinischen Forschung nach wie vor unverzichtbar und ein vollständiger Ersatz von Tierversuchen durch validierte Alternativen ist derzeit noch nicht möglich. Der Ersatz von Tierversuchen durch alternative Methoden ist jedoch ein langfristiges Ziel, festgeschrieben in der europäischen Tierversuchs-Richtlinie sowie dem österreichischen Tierversuchsgesetz. Der Staatspreis ist ein Element der Maßnahmentrias, die das BMFWF zum Thema Ersatzmethoden umsetzt. Die weiteren Elemente sind die Förderung von Ersatzmethodenprojekten in enger Zusammenarbeit mit dem FWF sowie die Förderung eines nationalen 3R-Zentrums, das die Implementierung von Ersatzmethoden in der Forschung vorantreibt.
Catarina Martins Costa, die Erstautorin der ausgezeichneten Studie, zur innovativen Relevanz ihrer Arbeit: „In dieser Arbeit haben wir das erste humane Organoidmodell des Corpus callosum entwickelt. Es besteht aus zwei Organoiden, die durch ein Bündel von Axonen verbunden sind. Wir haben herausgefunden, dass ARID1B-Mutationen zur Bildung von weniger Verbindungen führen, da die Neuronen des Corpus callosum nicht in der Lage sind, weitreichende Axone zu bilden. Dies führt bei den Patienten zu einem unterentwickelten oder fehlenden Corpus callosum. Diese Forschung wurde ohne Versuchstiere durchgeführt, sondern ausschließlich mittels klinischer Daten und In-vitro-Modellen. Außerdem wurden die Gehirnorganoide ohne das von Nagetieren stammende Nährmedium Matrigel hergestellt.“
Auch Jürgen Knoblich betont die Bedeutung der Fortschritte, die durch die Organoid-Technologie erreicht wurden: „Wir sind sehr stolz darauf, dass wir diese Methode hier in Österreich am IMBA etablieren konnten und damit Tausenden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit helfen konnten, Experimente direkt an menschlichem Gewebe viel zielgerichteter durchzuführen.“ Weiter hebt er hervor, dass das Projekt nur durch die herausragenden Forschungsbedingungen verwirklicht werden konnte: „Unsere Forschung ist nur möglich wegen der hervorragenden Bedingungen am IMBA und am Vienna Biocenter - und wegen der Unterstützung durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften. Eine großartige Zusatzförderung durch das BMFWF und die Stadt Wien hat es uns erlaubt, ein Zentrum für Organoidforschung aufzubauen und Österreich damit zu einem international sichtbaren Zentrum für diese zukunftsweisende Technologie zu machen.“
Nina Corsini unterstreicht mit Nachdruck die gesellschaftliche und persönliche Bedeutung dieser Auszeichnung: „Wir möchten uns ganz herzlich für diese Auszeichnung bedanken, die uns darin bestärkt, auch weiterhin daran zu arbeiten, Tierversuche zu reduzieren. Während wir in der Vergangenheit vieles über das Gehirn durch Tierversuche gelernt haben, haben wir nun durch die Technik der Gehirnorganoide zusätzlich einen direkten Einblick in das menschliche Gehirn. Dadurch können wir herausfinden, wie sich das menschliche Gehirn entwickelt und wie Krankheiten, z.B. Epilepsie, entstehen. Unsere Forschungsarbeit ist nur möglich durch unsere zahlreichen und wertvollen Kollaborationen mit Forschern der Medizinischen Universität Wien und natürlich durch die Unterstützung unserer Patienten und deren Familien, wofür wir uns herzlich bedanken möchten.“
Fotos der Staatspreisverleihung finden Sie hier
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Florian Atzmüller
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